Was ist Kultur? Und was umfasst Kulturwandel? Diese Fragen mit einem Satz beantworten zu können ist nicht leicht. Daher haben wir nachgefragt und versuchen das Unsichtbare greifbar zu machen. Denn überall, wo Menschen und Werte aufeinandertreffen, wandelt, festigt oder reift ein Werte- und Normengerüst, das im breiten Spektrum der (Unternehmens-)Kultur verortet werden kann.
Was ist Kultur?
In der Literatur finden sich eine Vielzahl wissenschaftlicher Ansätze, die Kultur definieren. Ein bekanntes Modell ist das Eisbergmodell, das Kultur schaubildlich als Eisberg darstellt.
Der Eisberg wirkt oberflächlich klein, ist unter der Wasseroberfläche aber tief gewachsen. So legt das Modell dar, dass sich Kultur aus sichtbaren (z.B. Sprache, Bräuche, Kleidung usw.) und unsichtbaren Bestandteilen (z.B. Umgangsformen, Werte, Philosophie usw.) zusammensetzt.
Ein weiterer Ansatz stammt von Geert Hofstede, der Kultur als mentale Programmierung definiert. Kultur ist etwas Erlerntes, das sich aus dem sozialen Umfeld ableitet. Damit bekräftigt Hofstede, dass mittels Erziehung, Sprache, Erlebnissen uvm. ein Werte- und Normenverständnis erlernt wird, das die Wahrnehmung beeinflusst.
Das Unsichtbare sichtbar machen
Ausgehend von ihrer Definition besteht (Unternehmens-)Kultur aus expliziten und impliziten Bestandteilen. Denise Krüsmann, die sich bei der SVG Süd mit den Themen Kultur, New Work und interkultureller Kommunikation beschäftigt, zeigt Beispiele für die beiden Bereiche auf.
„Bei den expliziten Bestandteilen nehme ich vor allem Verhaltensnormen wahr, die in unseren Alltag integriert und nicht mehr hinterfragt werden. Im täglichen Miteinander sind das z.B. Sie-Du-Umgangsformen und die Meeting-Kultur.
Der implizite Bereich umfasst dagegen mehr Aspekte. Dazu zählt die Offenheit, Dinge anzusprechen, die im Unternehmen vorherrschende Fehlerkultur oder zwischenmenschliche Kommunikation. Auch Machtasymmetrien und wie sie ausgelebt werden spielen da mit rein. Für mich sind diese impliziten Bestandteile sehr spannend. Sie sind auf den ersten Blick nicht sichtbar, können aber wahrgenommen oder ‚gefühlt‘ werden.“
(Unternehmens-)Kultur zeigt sich insbesondere dann, wenn sie erstmalig erlebt wird. Das trifft bspw. bei Jobwechsel und Umzug zu. Unterschiede und Ähnlichkeiten werden identifiziert, wenn sie nicht dem gewohnten Werte- und Normengerüst entsprechen.
Darüber hinaus wird (Unternehmens-)Kultur oft greifbar, wenn gezielt nach ihren Ausprägungen gesucht wird. Das geschieht vor allem in Bereichen, in denen bestehende Gewohnheiten, Abläufe oder Umgangsformen für nicht gut befunden und geändert werden sollen. Der darauffolgende Anstoß, (Unternehmens-)Kultur zu ändern, ist ein Weg, raus aus der Komfortzone, rein in einen fordernden Umbau des Kulturgerüsts. Dabei vollzieht sich Wandel schneller im sichtbaren Teil der (Unternehmens-)Kultur: Verhaltensweisen und Praktiken lassen sich stetig erlernen und erweitern. Der unsichtbare Teil, wie Werte und Gewohnheiten, zeigt dagegen mehr Beständigkeit.
(Unternehmens-)Kultur entwickelt sich mit ihrem Umfeld
(Unternehmens-)Kultur kann sich festigen, indem Umgangsformen und Werte adaptiert werden, sie kann sich wandeln, indem Mitarbeiter, Teams und Führungskräfte Dinge aktiv ansprechen oder sie kann reifen, indem Normen und Werte geteilt und gelebt werden.
Während dieser Entwicklung wird (Unternehmens-)Kultur von äußeren und inneren Einflüssen begleitet. Dazu gehören nicht nur die Menschen, die sich innerhalb des Kulturkreises bewegen, sondern auch neue Technologien, Räume, Führung und Autorität (uvm.).
„Kultur ist nicht greifbar und dennoch durch so viele Dinge beeinflussbar. Ich war überrascht davon, wie viel Einfluss beispielsweise Büroräume auf unser Verhalten und unsere Arbeitsweisen nehmen. Offene, kreative Büroflächen vermitteln Transparenz, ein Wir-Gefühl und Teilhabe. Sie sind ein guter Ort für Teambesprechungen, Kreativ- und Projektaufgaben. Einzelbüros erschweren hingegen einen intensiven Austausch im Team, sind für Fokusarbeiten aber umso wichtiger. Die Art wie wir Arbeiten stellt also Anforderungen an unser Umfeld. Und diese Anforderungen gehen heute weit über unseren Schreibtisch hinaus“ , ergänzt Denise.
Kultur und Strategie – ein komplementäres Miteinander?
Mit „culture eats strategy for breakfast“ setzte Peter Drucker den Stellenwert von Kultur in Relation zur Unternehmensstrategie und bestätigt ihre enge Verbundenheit. Wenn das Werte- und Normengerüst einer (Unternehmens-)Kultur nicht geteilt wird, fehlen Motivation, Teilhabe und das Wir-Gefühl, um Strategie mit Leidenschaft und Erfolg umzusetzen. Drucker festigt damit den Einfluss, den (Unternehmens-)Kultur auf den Fortschritt eines Unternehmens nimmt.
Denise bekräftigt den Stellenwert abschließend: „Kultur ist ein spannendes, aber oft unterschätztes Thema. Es ist nicht leicht, Einfluss auf sie zu nehmen. Und es ist erst recht nicht möglich, sie zu kontrollieren oder vorzuschreiben. In meinen Augen sind die Unternehmen erfolgreich, die den Einfluss und die Tragweite der Unternehmenskultur erkannt und umgesetzt haben. Und bereit sind sich den ständigen Veränderungen unserer Welt zu stellen.“
Fazit: (Unternehmens)Kultur ist für uns wie ein Gerüst, das eine Organisation stützt. Sie gibt dem Unternehmen Halt und zeigt einen Rahmen auf, in dem sich die Mitarbeitenden bewegen. Gleichzeitig wandelt oder festigt sie sich, indem Werte und Umgangsformen – also die sichtbaren und unsichtbaren Bestandteile des Kultureisbergs – in der Organisation bestätigt und weiterentwickelt werden.